Einkaufswagen belagern die Hauptstadt und stehen an beinah jeder Ecke. Für manche sind sie ein Dorn im Auge, für manche eine eigene Welt und für andere gar Street Art
Umgedreht liegen die beiden Einkaufswagen von Lidl zwischen zwei Autos auf der Straße. Gegenüber an der Hauswand steht ein weiteres Exemplar, dieses Mal von Rewe. Und nur wenige Meter entfernt auf dem Gehweg parken zwei weitere Einkaufswagen. Vom Supermarkt entwendet, abgestellt und vergessen. Allein in
Einkaufswagen in den Straßen Berlins zu finden ist kein Problem. Auch in Moabit, in der Perleberger Straße stehen gleich fünf Exemplare auf dem Gehweg. Einer ist von Ikea, zwei sind von Kaufland. Die nächste Kaufland-Filiale ist vielleicht 300 Meter entfernt. Der Ikea-Wagen dürfte allerdings eine weitere Reise hinter sich haben. Gefüllt sind die Einkaufswagen mit allerlei Müll, Pappkartons, Getränkebechern und -dosen, Plastiktüten und Motorölkanister. So ergeht es vielen Einkaufswagen im Berliner Straßenland. Stehen sie erst einmal da, füllen sie sich schnell mit Hausmüll aller Art.
Berliner finden Einkaufswagen im Stadtbild „interessant“ bis „unsozial“
„Ich find es interessant“, sagt eine Passantin in der Perleberger Straße. „Sie führen so ein Eigenleben und sie scheinen miteinander zu sprechen, so wie sie dastehen. Ich lieb das, weil das ist wie eine geheime Welt für sich.“ Mit der Liebe ist das allerdings so eine Sache. Unsozial sei so ein Verhalten, sagt eine junge Frau und auch das nächste Paar, das vorbeikommt, kann den „abgestellten Fünf“ wenig abgewinnen.
„Ich finde das unmöglich, wie die Leute damit umgehen, bei uns stehen sie sogar im Hausflur“, sagt der Herr und seine Frau ergänzt, „die werden bei uns als Mülleimer benutzt, ist halt nicht schön.“
Problem für Geschäfte?
Robert, der gerade vom Einkauf kommt und ein paar Jahre in den USA gelebt hat, wo es so ein „Einkaufswagen-Kidnapping“ praktisch nicht gebe, meint, es wäre schon schöner, wenn es die herrenlosen Einkaufswagen hier nicht gäbe. Aber es stehen auch kaputte Fahrräder herum, dort liegt Müll und mit einer ausladenden Handbewegung meint er noch, „und dahinten steht ein Sofa. Ist halt so.“
Das „ist halt so“ führt in Berliner Außenbezirken offenbar bisweilen zu einem so großen Einkaufswagenschwund, das den Kund:innen der Supermärkte nur noch der Einkaufskorb zur Verfügung steht, wie jüngst in einer Glosse der Berliner Zeitung zu lesen war.
Ob das Entwenden von Einkaufswagen für die Geschäfte ein Problem darstellt? Diese Frage bleibt auf Anfrage bei den Supermarktketten unisono unbeantwortet. Immerhin kostet so ein Einkaufswagen je nach Ausstattung zwischen 100 und 250 Euro.
BSR sammelt regelmäßig Einkaufswagen ein
Lidl teilt mit, dass in den Filialen immer ausreichend Einkaufswagen zur Verfügung stünden. „Sollten wir durch Kunden oder eigene Beobachtungen auf Einkaufswagen unseres Unternehmens außerhalb unserer Filialgrundstücke aufmerksam werden, sorgen wir dafür, diese schnell und unbürokratisch zurückzuführen.
Das geschieht durch verschiedene Maßnahmen – wie gezielten Rückholaktionen oder mit systemischer Unterstützung.“ Im Übrigen bittet Lidl um Verständnis, dass „wir grundsätzlich keine Angaben zu Schadenssummen und Stückzahlen machen.“ Eine Auskunft, die uns praktisch gleichlautend auch von Edeka und anderen Supermarktketten erreicht.
In Berlin ist die Berliner Stadtreinigung (BSR) für saubere Gehwege zuständig. Regelmäßig würden herrenlose Einkaufswagen eingesammelt, teilt die BSR mit. „Sofern es mit Einzelhändlern Vereinbarungen zur Rückführung gibt, wird pro Einkaufswagen abgerechnet. Falls es zu keiner Abholung durch die Einzelhändler kommt, werden die Wagen der Verschrottung zugeführt.“
Kosten unklar
Aber nicht alle Supermarktketten haben einen Vertrag mit der BSR und dann ist auch die Zuweisung auf die unterschiedlichen Supermarktstandort schwierig. Über Angaben, wie viele Einkaufswagen eingesammelt werden und welche Kosten dabei entstehen, schweigt sich auch die BSR aus.
So ist die Verschrottung dann das Ende so manch eines Einkaufswagens. Nach Schätzungen des weltgrößten Herstellers dieser Produkte, der Firma Wanzl in Leipheim, betrage der Schwund, so war jüngst im Tagessspiegel zu lesen, etwa 10 Prozent der Einkaufswagen pro Jahr.
Ein Beitrag für rbb|24