50 historische BVG-Busse suchen eine neue Halle

Einmalige Sammlung „Traditionsbus Berlin“ steht vor dem Aus

Video im Aufrag von rbb|24

Eine einmalige Sammlung

Stefan Freytag, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Traditionsbus Berlin (ATB), schiebt die große, schwere Hallentür auf. Sonnenstrahlen heben die alten MAN- und Büssingbusse aus dem trüben Hallenlicht. Die gelben Doppeldecker aus längst vergangenen Tagen sehen aus, als könnten sie jeden Moment den Motor starten und losfahren. Ein vergleichbares Bild derart schöner, historischer Busse, bietet bestenfalls ein besuch im Technikmuseum. Doch im Gegensatz zum Museum können diese Busse tatsächlich fahren. Einzelne von ihnen sind jeden Tag im Regelbetrieb der BVG auf der Linie 218 im Einsatz. Andere fahren Schulkinder zum Schwimmen, dienen Hochzeitsgesellschaften oder Bildungsgruppen als Eventfahrzeuge

Dass die Busse einsatzbereit sind, ist Stefan Freytag und seinen Mitstreitern zu verdanken, die ihr Geld und unzählige Arbeitsstunden in die Restaurierung und Erhaltung der alten BVG-Busse investieren. „Wahre Liebe“, sagt Stefan Freytag in seinem Blaumann, ist es früher gewesen. Heute sei ein gewisser Pragmatismus eingezogen. Das liege einfach an der Menge der Busse und der stetigen Arbeit.

Stefan Freytag, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Traditionsbus Berlin (ATB)
Stefan Freytag, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Traditionsbus Berlin (ATB)

Drei Freunde haben einen Kindheitstraum

Angefangen hat alles 1989. Drei Freunde erfüllten sich einen Kindheitstraum und kauften einen alten BVG-Bus, um ihn wieder flott zu machen. Im Laufe der Jahre kamen weitere Hobbyschrauber und Busse dazu. Die Arbeitsgemeinschaft Traditionsbus Berlin (ATB) wurde gegründet. 1993 fuhr dann erstmals ein restaurierter, historischer ATB-Bus im Auftrag der Potsdamer Verkehrsbetriebe regelmäßig auf der Ausflugslinie zum Schloss Sanssouci. Das war so etwas wie der Ritterschlag für die Hobbyschrauber.

Als dann die BVG ihr eigenes Museum auflöste, ging ein Teil ans heutige Technikmuseum, für den Rest bekam die ATB den Zuschlag. Mittlerweile zählen über 50 Fahrzeuge zur historisch einmaligen Sammlung. „Wir haben jedes Model, dass die BVG seit 1950er Jahren bauen ließ und eingesetzt hat,“ schwärmt Stefan Freytag nicht ohne Stolz. 

Eine Halle voller historischer BVG-Busse. Traditionsbus Berlin
Eine Halle voller historischer BVG-Busse

Traditionsbusse sind ein zeitintensives Hobby

Ohrenbetäubend laut werkelt Florian in einer Ecke der Halle an einem alten Doppeldeckerbus herum. Es ist der Wagen 2892, sagt er mit fachwissendem Blick.  Der Bus ist aufgebockt, eigentlich sollte nur schnell der Unterboden saniert werden. Es kam anders: Inzwischen ist die Vorderachse ausgewechselt und der Unterboden komplett hergerichtet. Jetzt fehle noch die Hinterachse und der Motor muss auch noch ausgebaut werden, sagt er lächelnd. Dabei vermittelt der Mann, der eigentlich bei den Berliner Wasserbetrieben als Fachkraft für Rohrkanal- und Industrieservice arbeitet, den Eindruck, dass er darüber gar nicht einmal so unglücklich ist. Zeit ist bekanntlich relativ und bei 714 Arbeitsstunden, die Florian im letzten Jahr mit den Bussen verbracht hat, kommt es auf ein paar mehr ohnehin nicht mehr an.  

Aufgebockt. Dieser BVG-Doppeldecker wird instand gesetzt.
Aufgebockt. Dieser BVG-Doppeldecker wird instand gesetzt.

Auf der Havelchaussee ist Stefan Freytag regelmäßig mit einem der historischen Busse auf der Linie 218 regulär für die BVG im Einsatz. Manchmal, erzählt er, wir sprechen gerade über die Umweltverträglichkeit der großen Gelben, halten sich die Radfahrer die Nase zu und schauen ihn angewidert an. Das könne er verstehen, es seinen eben alte Fahrzeuge. Anderseits könnten die Radfahrer ja eigentlich auch kurz mal warten, bis er weg ist, meint er und zieht sogleich ein schelmisches Gesicht auf. Einmal habe auch ein Radfahrer furchtbar geschimpft, vielleicht aus alter Gewohnheit. Jedenfalls sei er damals mit einem zum Elektrobus umgebauten Fahrzeug unterwegs gewesen und da habe definitiv nichts gestunken. Aber so sei das eben. Und überhaupt: Seine alten Busse wiegen mit 90 bis 100 Fahrgästen an Bord 16 Tonnen. Aktuelle Modelle der BVG bringen dies Gewicht ohne eine einzige Person auf die Waage. Dafür haben sie dann eine Klimaanlage. „Ich brauchs nicht“, sagt Freytag und bei dem Thema Technik kann er sich in Rage reden.   

Lauter Schönheiten. Die historischen Busse der ATB
Lauter Schönheiten. Die historischen Busse der ATB

Eine Fahrt im Traditionsbus verbindet

Auf jeden Fall käme ein Traditionsbus, wann immer er fährt, großartig bei den Berliner:innen an, meint er abschließend. „Die Menschen freuen sich, erinnern sich und erfahren, wie es früher war.“ Dadurch entstehe durchaus ein Gemeinschaftsgefühl in den Bussen, dass auch die anderen BVG-Busfahrer spürten, wenn sie plötzlich wieder in ihren modernen Bussen begrüßt würden. Das sei doch ein wunderbarer Effekt und tue Berlin gut.  

Wieder kreischt es durch die Halle, weil irgendwo geflext wird. Die Ersatzteilbeschaffung werde zunehmend schwieriger, klagt Stefan Freytag. Ohne Internetrecherche und das große eigene Ersatzteillager wären längst nicht alle Busse einsatzfähig. Und hier verfinstert sich die Mine des gutgelaunten Mannes.

Zugelassen und fahrtüchtig. Dieser Büssing könnte sofort losfahren.
Zugelassen und fahrtüchtig. Dieser Büssing könnte sofort losfahren.

Ohne neue Halle geht nichts

ATB hat ein Riesenproblem. Der Hallenmietvertrag in der Daumstraße endet am 31.Oktober. Die Hallen kommen weg und Wohnungen sollen gebaut werden. Eine neue Halle, zu einer vergleichbaren Miete zu finden, das sei in Berlin schlichtweg unmöglich, so Stefan Freytag. Als Übergang haben sie eine Halle in Rathenow angemietet, aber „wie soll das funktionieren?“ fragt er achselzuckend. Der Weg von Rathenow nach Berlin ist in jeder Hinsicht viel zu weit, 80 Kilometer. „Wenn sich nichts ändere, ist es vermutlich das Ende.“

Bleibt als Fünkchen Hoffnung nur, dass sich vielleicht doch noch jemand meldet und den historischen Bus-Schraubern eine neue Halle anbietet. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, sagt Stefan Freytag und ringt sich ein gequältes Lächeln ab. Zweckoptimismus. Ob er selbst noch daran glaubt?

Weitere Infos auf:

   https://www.traditionsbus.de/

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