Seit 23 Jahren hilft das Projekt HundeDoc den Tieren mittelloser Menschen
Video für rbb|24 produziert
Unterwegs mit dem Hundedoc
„Mensch Uwe, warum ist der Hund so fett? Du hast ihn doch erst seit einem Jahr.“ Mit diesen deutlichen Worten begrüßt Tierärztin Jeanette Klemmt ihren letzten Kunden vor der Sozialstation am Bahnhof Lichtenberg. Mit ihrer mobilen Einsatzpraxis behandelt sie die Tiere mittelloser Menschen. Seit 23 Jahren ist sie im Einsatz. Am 25. September wurde Jeanette Klemmt mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Uwe ist ein alter Bekannter bei der mobilen HundeDoc. Er hat, wie fast alle hier, wenig Geld. Hunde hat er seit 36 Jahren. „Ich brauch das“, sagt er. „Ohne Hund, geht gar nicht.“ Wenn die HundeDoc nicht wäre, müsste seine Hündin auf die dringend notwendige Tollwut-Impfung so lange verzichten, bis Uwe das Geld für einen regulären Tierarztbesuch zusammengekratzt hat. „Das ist viel Geld für mich und nicht leicht“, sagt er und zupft an seinem langen grauen Bart. Die zwei Stufen in die mobile Hundearzt-Praxis fallen Hund und Herrchen sichtlich schwer. Uwe fast noch ein bisschen schwerer als seiner übergewichtigen Hündin.
Die Tiere sind grundsätzlich in keinem schlechteren Zustand
Jeanette Klemmt prüft die Papiere des Hundes, trägt die Impfung ein und setzt die Spritze. Die Hündin zuckt mit keiner Wimper. Aber damit ist es nicht getan. Neben der dringend notwendigen Diät, „Uwe, die muss fünf Kilo abnehmen, Minimum!“, hat die Hündin auch noch hartnäckigen Zahnstein. Der lässt sich nicht mal so eben wegkratzen. Hier ist ein weiterer Termin fällig. Außerdem bekommt Uwe noch eine umfangreiche Belehrung in Sachen Ausgehverhalten. Einmal am Tag, das sei definitiv zu wenig und ausgesprochen ungesund für den Hund, befindet die Tierärztin. „Und den Ernährungsplan befolgst du bitte! “ ermahnt sie ihn. Uwe versucht kurz gegenzuhalten, gibt sich dann aber kleinlaut geschlagen.
Fünf Behandlungen hat die Hundedoc an diesem Donnerstag vor dem Kontaktladen „Enterprise“ in der Eitelstraße 86 in Berlin-Lichtenberg. Termine werden direkt bei den teilnehmenden Organisationen gebucht, aber natürlich wird niemand abgelehnt, der spontan mit einem akuten Problem erscheint. Mit „TÜV“ bezeichnet Jeanette Klemmt ihr tierärztliches Angebot. Das umfasst Beratung, tiermedizinische Grundversorgung sowie kleinere Behandlungen und Eingriffe vor Ort. Für Operationen und Kastrationen gibt es gesonderte Termine nach Absprache.
HundeDoc und Klient:innen kennen sich oft seit Jahren
Schon bevor die Tierärztin anrückt, warten die Menschen geduldig mit ihren Hunden. Unter ihnen ist auch Tini mit Hündin Kira. Der junge Hund laufe „komisch“, sagt Tini, trippelt und hüpft immer wieder auf drei Beinen. „Liegt es vielleicht am Wachstum?“ mutmaßt sie. Auf jeden Fall will sie das von Jeanette Klemmt checken lassen. Die beiden kennen sich seit mehreren Jahren. Als die Tierärztin die Hündin laufen sieht und anschließend die Kniegelenke überprüft, ist die Diagnose schnell klar. Mit Wachstum hat es wenig zu tun. Bei Kira sitz die Kniescheibe extrem locker und springt immer wieder raus. Ein angeborener Fehler, der eine Operation nötig macht. Auch hier unterstützt HundeDoc mit einem OP-Termin in einer Tierarztpraxis, die auch einmal ein Auge zudrückt.
Die Tiere der Menschen, die zur HundeDoc kommen, sind in keinem anderen Zustand, als die, der zahlenden Kundschaft in den normalen Tierarztpraxen, sagt Jeanette Klemmt, ohne zu zögern. Was sie allerdings unterscheide: Sie haben wenig oder gar kein Geld. Deshalb würden notwendige Behandlungen aufgeschoben. Außerdem sei es den Menschen unangenehm, darauf angesprochen zu werden, zu lange mit dem Tierarztbesuch gewartet zu haben.
Klartext sprechen ist wichtig
Das Angebot von HundeDoc richtet sich speziell auch an junge Erwachsene und Straßenkids mit Hunden. Hier sei es zwar zu begrüßen, dass die Hunde meist 24 Stunden bei ihrem Herrchen oder Frauchen sind. Auf der anderen Seite werde es problematisch, wenn Drogen mit ins Spiel kommen, beschreibt Jeanette Klemmt die Situation. Das bedeute immer auch Stress für die Tiere und ob die das so wollten, sei ja die Frage, gibt die Tierärztin zu bedenken. Sozialromantik helfe hier jedenfalls nicht weiter. „Da sprechen wir Klartext, ohne verletzend zu sein“, sagt sie sehr überzeugend und lächelt dann, „das gelingt mir nicht immer, aber ich bemühe mich.“ Bei allem Einfühlungsvermögen, das sie bei der Behandlung gegenüber ihren Klient:innen ausstrahlt, das Tierwohl steht bei Jeanette Klemmt immer an erster Stelle.
Das Projekt „HundeDoc“ müsse auf jeden Fall fortgeführt werden. Das steht für die Tierärztin außer Frage. Der Bedarf sei riesig und werde eher noch größer. Wie lange sie das selbst noch machen wird, da bleibt sie wage. 23 Jahre sind eine lange Zeit und letzten Endes gehe es auch ums Geld. Sie persönlich komme mit ihren Einsätzen kaum über die Runden und das Projekt selbst ist zu 100 Prozent auf Spenden angewiesen. Keine Spenden bedeutet kein Hundedoc. Vom Land Berlin gibt es keine Unterstützung.